Sport

DoT 2022 - Einhorn und die Eisenbieger

Eigentlich sollte diese Kumpel-Tour in der Nordsee auf einem Segelboot stattfinden. Stattdessen hat sich das faule Fleisch wieder für eine easy-peasy Woche auf dem Hausboot entschieden. Sogar der Gruppenname wurde auf "Wind-up" geändert, um der Unternehmung den nötigen Rückenwind zu geben. Zugegeben, im letzten Jahr auf der Saone war es sehr schön; da mussten die alten Herren nichts Neues ausprobieren. Vom 27. August bis zum 3. September 2022 befuhren wir den Marne-Rhein-Kanal von Hesse im Elsass bis nach Strassburg und zurück.

Am Samstag trafen wir uns in Baden-Baden am Bahnhof. Torsten und Udo waren mit einem Auto voller Lebensmittel (eckiger Wein) angereist und Ralf kam mit Spirituosen im Gebäck per Eisenbahn an. Nach einer weiteren Stunde Fahrt, gelangten wir nach Hesse, einem Örtchen mitten im Elsass. Dort befindet sich die Le Boat Marina. Nach dem Einchecken, der Einweisung und dem Empfang von Grill, Fahrrädern, Sitzpolstern usw., konnten wir gegen 15 Uhr in den Kanal stechen.

Wer in Hesse startet, hat drei Optionen: nach Norden in Richtung Saarbrücken, nach Westen in Richtung Nancy oder nach Osten in Richtung Strassburg. 80 % der Kanalfahrer entscheiden sich für die Ostroute. Der erste Streckenabschnitt bietet die grössten Highlights; schon nach wenigen Kilometern durchfährt man einen 850 m langen Tunnel, gleich gefolgt von einer 2500 m Strecke durch den Berg. Aufgrund fehlender Internetverbindung konnte das obligatorische "Our darkness" von Anne Clark nicht abgespielt werden. Um die Stimmung im Tunnel aufrechtzuerhalten, wurde daher die Titelmusik von "Once upon a time in the west" gegeben; besser bekannt unter dem Namen "Spiel mir das Lied vom Tode".

Nach den beiden Tunneln folgte bereits die zweite Überraschung, das Schiffshebewerk von Arzviller. Es wurde 1969 gebaut, um 17 Schleusen zu ersetzen, für die der Schiffsverkehr bis dahin einen ganzen Tag brauchte. Jetzt wird der Höhenunterschied von 45 Metern in einigen Minuten überwunden. Der Lift ist nicht nur ein technisches Hilfswerk, sondern eine Touristenattraktion, die von Ausflugsbooten aus Lutzelburg und Strassburg besucht werden.

Bereits nach zweieinhalb Tagen Fahrzeit erreichten wir den Umkehrpunkt unserer Reise, die Stadt Strassburg am Rhein. Bei den bisherigen Hausboot-Touren auf dem Canal-du-Midi, der Loire und der Saone, mussten wir die Kehrtwende berechnen, um vor Schleusenschluss wieder in der Ausgangsmarina anzukommen. Durch das schnell zu erreichende Zwischenziel Strassburg war es dieses Mal ganz einfach. Wir hatten genügend Zeit für eine entspannte Rückfahrt.

Im Hafen von Strassburg erwiesen sich unsere drei Klappräder als Gold wert. Zu Fuss hätten wir eine halbe Stunde bis in die Innenstadt benötigt. Mit den Fahrrädern ging das deutlich flotter und erwies sich auch innerhalb der Stadt als optimales Transportmittel. Wir verrenkten uns die Hälse beim Bestaunen des Münsters (dem ein Turm fehlt), umkreisten das Gutenberg-Denkmal auf dem gleichnamigen Platz (mit Karussell) und fanden schliesslich den Weg in das Gerberviertel im Quartier Petite France.

Mit grosser Vorfreude auf einen echten elsässischen Flammkuchen, nahmen wir im Restaurant La Corde a Linge Platz, um dort zu erfahren, dass das Top Gericht im Elsass eben nicht der Flammkuchen, sondern die Spätzle sind. Doch auch diese schmeckten uns sehr gut, insbesondere wegen des Munster-Käses. Nach einem kleinen Verdauungs- und Besichtigungs-Spaziergangs durch das Viertel, gönnten wir uns noch zwei Kugeln Eis in der Waffel bei Angelo. Am Abend hatten wir an Bord Spass mit einer Kanalratte, der Torsten beibringen konnte, über ein Seil zu balancieren. Vielleicht bringen wir sie im nächsten Jahr auf die grosse Bühne. Tatsächlich schlossen wir in dieser Nacht alle Fenster, um unsere Käsewürfel zu sichern.

Während der Rückfahrt bestaunten wir die imposanten Gebäude des Europa-Parlaments und benötigten einige Stunden, um herauszufinden, ob diese Institution nun in Strassburg oder Brüssel beheimatet ist. Dieser Tag dauerte nicht lange, da er nach kurzer Zeit sein Ende an einer idyllischen Anlegestelle fand. Dort gab es Schatten, Bänke und Cocktails. Ralf hatte für diese Tour die Ingredienzien für den Royal Bermuda Yacht Club Cocktail mitgebracht. Da das Internet kein ernstzunehmendes Rezept für diesen Cocktail bereithält, veröffentliche ich es hier exklusiv:

Royal Bermuda Yacht Club Cocktail

  • 6 cl Mount Gay YO Rum
  • 1.5 cl Triple Sec (0.5 cl weniger als im Originalrezept)
  • 2 cl Intense Falernum
  • 1 cl Limettensaft (1.0 cl weniger als im Originalrezept)
  • Orangenzeste für die Dekoration (fehlt im Bild)
  • Im Rührglas auf viel Eis kalt rühren und im Tumbler mit Eis abseihen (fehlt im Bild :)

Achtung, dieser Drink knallt tierisch nach dem zweiten Glas!

Was soll ich sagen; der RBYC verfehlte seine Wirkung nicht: Mit Erdnüssen wurden Kameraauflösungen diskutiert; Torsten und Ralf lagen sich weinend in den Armen - kurz um - es war ein gelungener Nachmittag.

Im Gegensatz zu allen vorherigen Bootstouren, hatten wir dieses Mal keine Verluste zu beklagen. Ok, wir rissen eine Fenderleine ab, was bei den Spundwänden der Kanalbrüstung zur Pflicht zählte. Apropos Pflicht: Um unsere kriminelle Energie zu dokumentieren, wurden vom ersten Tag an alle Missetaten hochgezählt.

Liste der gewerteten Verfehlungen

  • vor einer Brücke nicht "Brücke" sagen
  • beim Schleusen keine Schwimmweste tragen
  • aus grünen Flaschen trinken
  • nur mit einer Leine schleusen
  • in Flipflops die Schleusenleiter hochsteigen

Auch in Saverne (Zabern) gönnten wir uns eine Stadtbesichtigung. Das Örtchen besteht im Wesentlichen aus einer Fussgängerzone und dem völlig überdimensionierten, 1790 erbauten Rohan-Schlosses. Es hat auf der Parkseite eine 140 m lange monumentale Fassade aus rotem Sandstein. Es handelt sich um die längste klassizistische Schlossfassade in ganz Frankreich. 

Für das Mittagessen kehrten wir im Restaurant "La Marne" ein, weil dort Flammkuchen auf der Speisekarte stand. Direkt neben der Schleuse sassen wir dort auf der Aussenterrasse und bestellten die Elsässer Spezialität. Unsere Enttäuschung war gross, als der Kellner uns erklärte, dass die "tarte flambée" nur am Abend serviert wird. Also gab es wieder Spätzle mit Munster-Käse und zwei hervorragende Burger für Udo und mich. Der Ort Zabern zeigte sich störrig beim Auffüllen unserer Biervorräte. Trotz intensiver Suche nach einem Supermarkt wurden wir nicht fündig.

In Lutzelburg (mit schöner Aussicht auf die Lutzelburg) fanden wir wieder eine idyllische Anlegestelle mitten im Ort. Zu diesem 600-Seelen Dorf fällt mir nichts Schreibenswertes ein, ausser den zwei Katzen, die abends Motten vor einem Hauseingang fingen.

Wer auf einem Hausboot unterwegs ist, hat es immer mit anderen Besatzungen auf anderen Booten zu tun. Erwähnenswert sind der Lehrer und sein Schüler, die eine ungute Erfahrung mit einem Sonnenschirm unter voller Fahrt hatten. Dann gab es das Einhorn-Boot, mit einem aufblasbaren Einhorn an Bord, das niemals zu Wasser gelassen wurde. Neben dem Gummitier gab es den schwätzenden Kapitän, dessen Grossvater schon jemanden kannte, der im 18. Jahrhundert auf diesen Gewässern unterwegs war und seine Frau, die gerne das Boot gewechselt hätte.

Beim Hausbootfahren steckt man immer im Dilemma von genervt sein und Hilfsbereitschaft zeigen. So auch bei Pinky - wir haben sie nie so genannt; sie hatte keinen Namen, aber einen Vater und einen rosafarbenen Spiegel (Jäger nennen das so). Diese Dame befuhr ein Sechspersonen-Boot, wechselte ihre Kleidung entsprechend der Mitschleuser und kommandierte ihren 75-jährigen Vater. Obwohl ihr Gezeter und ihre Unbeholfenheit zuerst ein Helfersyndrom in uns auslöste, war es uns irgendwann zu viel. Es gelang uns, einen ausreichenden Abstand zwischen den beiden Booten zu erarbeiten.

Die Rückfahrt von Strassburg nach Hesse war eine gemütliche. Wir hatten genug Zeit, um die Landschaft, die Dörfer und Riesenräder zu geniessen. Vor dem Schiffshebewerk beschreibt der Kanal eine Schleife und bildet ein grosses Becken. Dort gibt es gute Anlegemöglichkeiten und Plätze in der ersten Reihe. Wir sicherten uns die Popcorn-Lounge, von wo aus wir eine herrliche Aussicht auf den Lift und das Geschehen auf dem Kanal hatten. Die Uhr tickte nur bis Drei, als Pinky mit ihrem Vater in das Becken einlief. Da versammelte sich die ganze Mannschaft der Crusader 19 auf dem Oberdeck im Premiere-Feeling.

Der Lutzelburg-Trailer von "Pinky and the Lock" hatte nicht zu viel versprochen: ein Vergnügen für Jung und Alt. Die Dame in den Mitte-Vierzigern kannte nur zwei Regeln: Vollgas und Volleinschlag. Sie schaffte es, ihr Boot im Becken zu halten, ohne mit Spundwänden und anderen Booten zu kollidieren, obwohl sie sich alle Mühe gab, ihr Ziel zu vereiteln. Nach einer Stunde Ruder-Reissen und Gasknüppeln, sah sie ein, dass Nichtstun zum gleichen Ergebnis führt. Nach dieser amüsanten Nachmittagsvorstellung liessen wir sie liften und warteten überlang auf den nächsten Aufzug.

Nachdem wir nach langem Warten den 17-Schleusen-Ersatz gehievt hatten, war der Rest der Reise ein leichter. Gemütlich schipperten wir in Richtung der Tunnels. Im Dunkeln der Wölbung wurden viele passende Lieder gespielt, darunter "The good get bad and the ugly". Auch auf der Strecke zwischen dem zweiten Tunnel wurde viel Musik gespielt und der Reise einen würdevollen Abklang verliehen. Der letzte Abend in der Marina von Hesse war eher nüchtern und hatte nicht mehr den Spirit der vorherigen Abende.

Fazit

Die Entscheidung, wieder auf ein Hausboot zu gehen, war eine gute Idee. Wir hatten eine interessante, entspannte und emotionale Woche unter uns dreien. Es wurden gute Gespräche geführt, Tränen und Häme vergossen. Wir waren uns einig, handwerklich kompetent und mit krimineller Energie unterwegs. Der Tour-Name "Einhorn und die Eisenbieger" bezieht sich nicht nur auf das Einhorn-Boot, sondern auch auf das Licorne-Bier, welches wir in Saverne verachten durften. Eisenbieger bezieht sich auf das Aufstemmen der störrischen Schleusen; hier punktete Udo im Leoparden-Einteiler.

Wir haben auch über einen neuen Gruppen-Namen nachgedacht. Obwohl die letzten Fahrten unter dem Namen "Wind-up" firmieren, laufen die jährlichen Jungsferien immer noch als die "Days of Thunder". Hier ist im nächsten Jahr Gehirnschmalz gefordert, um die Aktivitäten altersgemäss zu benennen.

Das sind einige ausgewählte Bilder: